bei Lorenzo Dalponte
Von 1915 bis zum Ende wütete der Krieg im ganzen, armen aber friedlichen Trentino. Es hatte damals ungefähr 400.000 Einwohner, 65.000 kämpften an den Fronten, 105.000 waren Flüchtlinge und einige Tausend waren entweder in Arbeitskompanien militarisiert oder in den Etappen beschäftigt.
Die österreichisch-ungarische Regierung war nicht für einen langen Krieg vorbereitet. Ungarn war ein reicher Kornspeicher gewesen, aber seine Reserven waren schon lange verbraucht. Im Herbst 1914 enthielt das Brot 30% Maismehl, im Frühling 1915 enthielt es 50% Maiskolben und gemahlene Baumrinde.
Die Felder blieben unbebaut, die Frauen waren nicht imstande, die Männer zu ersetzen. Die Verwendung der hungrigen entkräften Gefangenen war auch ein Misserfolg. Für die Verpflegung der Soldaten musste man allmählich das Vieh schlachten, sie hatten sich bisher mit Fett und ein wenig Büffelfleisch begnügen müssen.
Man requirierte sogar Kupferkochtöpfe und den Kessel für die Polenta um Munition herzustellen. Für die Kanonen wurden die Glocken von den Kirchtürmen genommen. Die Leute waren verwirrt; aber sie hatten verstanden, dass alles verloren war.
Die Aufstände, die ausgebrochen waren, wurden in Niederösterreich durch Massenexekutionen unterdrückt. In einem Wiener Hotel brachte ein junger Arbeiter am 21. Oktober 1916 den Ministerpräsidenten Graf Carlo Stürgh um, den die öffentliche Meinung für den Verantwortlichen für die militärische Diktatur und für die katastrophale wirtschaftliche Situation in den österreichischen Städten hielt.
Der Untergang des grenzenlosen Österreichisch-ungarischen Reiches, wo elf verschiedene Nationen zusammen lebten, war unvermeidlich. Sogar der Halbsieg in Caporetto konnte ihn nicht anhalten, sondern nur verspäten.
Das Kriegsende im November 1918 hieß nicht auch Ende der Leiden im Trentino. Der Krieg hatte hunderte Dörfer zerstört. Ein Drittel der Häuser war ein Trümmerhaufen, die anderen Häuser waren leer und geplündert, die Felder waren unbebautes Land geworden, die Wälder waren zerstört, die Almen unbenutzbar. die Ställe leer.
Die Flüchtlinge, die allmählich heimkehrten,, wurden anfangs von Verwandten oder von Nachbarn beherbergt; dann konnten sie langsam in Baracken oder in Kellern unterkommen. Die Leute verloren keine Zeit, Männer, Frauen und Kinder bemühten sich, alles wieder aufzubauen. Der italienische Pionierkorps leistete seine Hilfe so, wie es konnte. Die römische Regierung behandelte die redimierten Bevölkerungen nicht als „Freunde, Schwestern und Brüder“, wie die Propaganda behauptete, sondern als Feinde, mit falschen und arglistigen Argumentationen, die man absichtlich durch die Karabiniere umlaufen ließ. Trientinische Heimkehrer, die erschöpft und unbewaffnet aus den verschiedenen Fronten, sogar von Rumänien zurückgekehrt waren, wurden im November 1918 aus ihren Häusern geholt; aus welchem Grund ist auch heutzutage noch nicht klar.
In Giudicarie wurde ihnen gesagt, nach Riva del Garda zu gehen, um dem italienischen König zu huldigen; aber anstatt des Königs trafen sie die Karabiniere, die sie in ein Lager führten, wo sie drei Tage und drei Nächte unter freiem Himmel unter dauerndem Regen verbrachten. Sie legten sich zu zweit, einen oben und einen unten, auf' den schlammigen Boden,. alle zwei Stunden wechselten sie sich ab. Als sie als Gefangene nach Isernia in den Abruzzen kamen, hatten sich die meisten von ihnen die Bronchopneumonie geholt.
Das Gleiche passierte den Heimkehrern von Lavarone und 498 Männern aus Primör.
Silvio Paoli ein ehemaliger Frontkämpfer aus Giudicarie, der zwei Jahre als Kriegsgefangener in Russland verbracht hatte, schrieb in seinem Tagebuch „Gefangener Kaiserjäger“: «Lieber acht Jahre Gefangenschaft in Russland, als die zwei Monate in Italien». Das ist die schlimmste Episode der trientinischen Geschichte.
Es war bei den. Tiroler Bevölkerungen üblich, wenn sie sich in Notfall wegen Brand oder Überschwemmungen befanden, konnten sie die Verwaltung um einen Schadenersatz bitten. Die Pfarrer rieten ihnen, ein ähnliches Gesuch einzureichen. Rom entschädigte aber nur 50%. Eine Verordnung vom General der ersten Armee Pecori Giraldi, der einige Monate lang unbeschränkte Vollmacht in den redimierten Ländern hatte, bestimmte den Umtauscht: eine österreichische Krone gegen 40 italienische Cent. Das war eine katastrophale Maßnahme, die die Unzufriedenheit der Bevölkerungen und die Krise im Handelsgebiet verursachte. Eine Irredentistenkommission begab sich nach Rom, um die Zurückziehung der Verordnung zu erbitten; aber sie wurden nicht einmal empfangen. Sie kamen verbittert und enttäuscht zurück. Vor dem Kriegsausbruch tauschten die Züricher Banken eine österreichische Krone gegen eine Lira zehn Cent, die Banca d'Italia bekam 300 Millionen Kronen für 140 Millionen Lire.
Die Enttäuschung wurde noch größer, als die Leute erfuhren, dass Frankreich die Währung zu 100% in den eroberten Ländern Elsass und Lothringen tauschte.
Trotzdem bewirkten der starke Wille, die Zähigkeit, die Anhänglichkeit der Gebirgsbevölkerungen ein Wunder im Trentino: obwohl manche meinten, dass viele der zerstörten Dörfer immer so bleiben würden, lebten sie wieder auf. Ein Beispiel dafür ist die Treue der Leute gegen die Raiffeisenkassen. In einigen Tälern hatten 48 Bankanstalten alles verloren, ihre einberufenen Buchhalter waren an der Front gefallen, die Sitze waren zerstört, die Handelsbücher waren von den Soldaten wie Altpapier verbrannt worden. Der Meinung der Leute nach waren Raiffeisenkassen, Schule und Kirche die unvermeidlichen Institutionen für die Wiederaufnahme des Lebens.
Die Mitglieder, die den Krieg überlebt hatten, versammelten sich und jeder von ihnen erklärte seine Kredite oder seine Schulden; mit ihrer Hilfe konnte man in wenigen Monaten die Rechnungssituation der Bank wie vor dem Krieg wieder aufbauen. Nach den vollgesogenen Kontrollen konnte die Hauptverwaltung in Trient feststellen, dass das Kassenmanko wenige Hundert Lire betrug. Die verschuldeten Mitglieder hatten das Bewusstsein von Ehrlichkeit und entzogen sich nicht ihrer Verantwortung.
Ich mein es sei nach diesem Bericht verständlich, warum, anlässlich der institutionellen Volksabstimmung, 85% der Trientiner (höchster Prozentsatz in Italien) die Republik wählten, und warum diese Bevölkerung so lange gekämpft hat, um die Verwaltungsautonomie zu bekommen.
Feltre, 27 September 1997
Konferenz mit das Zentrum für Geschichtsstudium Primör
© Recuperanti 2009 - stampa la pagina - invia a un amico - |